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Mesolithikum: Steinzeitmenschen trugen Schmuck aus menschlichen Knochen

Wie eine Analyse an 8200 Jahre alten Anhängern aus Russland ergab, bestehen manche davon aus Menschenknochen. Ungewöhnlich ist, dass sie den Ornamenten aus Tierknochen gleichen.
Die Illustration zeigt die Bestattung eines Mannes vor zirka 8200 Jahren auf der Hirschinsel im Onegasee.
Die Illustration zeigt die Bestattung eines Mannes vor etwa 8200 Jahren auf der Hirschinsel im Onegasee. Er trug an seiner Kleidung Anhänger aus menschlichen und tierischen Knochen.

Während des europäischen Mesolithikums war es offenbar üblich, sich mit geschnitzten Menschenknochen zu schmücken. Das belegen nun Untersuchungen an Knochenanhängern aus einem zirka 8200 Jahre alten Friedhof von Jäger-und-Sammler-Kulturen auf einer Insel im Onegasee. Wie ein Team um Kristiina Mannermaa von der Universität Helsinki im Fachmagazin »Journal of Archaeological Science: Reports« berichtet, bestehen einige der Schmuckteile aus Nordwestrussland aus menschlichen Knochen. Weil sich diese Anhänger kaum von solchen aus Tierknochen und -zähnen unterscheiden, vermuten die Forschenden, dass sie eine symbolische Bedeutung hatten: Sie sollten die Vorstellung wiedergeben, dass sich Menschen in Tiere transformieren könnten und umgekehrt.

Die untersuchten Anhänger wurden bereits zwischen 1936 und 1938 in einem mesolithischen Friedhof ausgegraben, der sich auf der Insel Yuzhniy Oleniy Ostrov (Hirschinsel) im Onegasee befindet. An dem Ort in der heutigen Republik Karelien in Nordwestrussland wurden damals insgesamt 177 Gräber frei gelegt, die aus der Zeit von vor zirka 8200 Jahren stammen. Die Gruppe um Mannermaa untersuchte nun 37 Knochenanhänger aus den Gräbern mit Hilfe eines Massenspektrometers. Dabei stellte sich zur Überraschung der Forschenden heraus, dass zwölf Stück aus menschlichen Knochen bestehen. Die übrigen Anhänger wie auch die meisten Grabbeigaben wurden aus Zähnen und Knochen von Elchen, Braunbären und Bibern geschnitzt.

Wie die Forschenden aus den Bruchkanten an den Anhängern schließen, waren diese aus frischen Menschenknochen gefertigt worden. Man hatte sie aber genauso bearbeitet wie das tierische Material. Zudem ähneln sich die Schmuckteile äußerlich sehr. So sollten vielleicht jene aus Menschenknochen nicht mehr als solche erkennbar sein, vermuten die Archäologen um Mannermaa. »Anhänger aus menschlichem und tierischem Rohmaterial zu kombinieren, könnte das Bedürfnis oder die Fähigkeit symbolisieren, dass sich Menschen in Elche, Biber oder Bären verwandeln können und/oder umgekehrt«, heißt es in der Studie. Solche Vorstellungen seien durch ethnologische Studien belegt.

Knochenanhänger | Das Schmuckteil wurde aus einem menschlichen Oberschenkelknochen herausgebrochen. An einem Ende wurde eine Kerbe eingeritzt.

Auf Grund der Fundlage in den Gräbern gehen Mannermaa und ihr Team davon aus, dass die Knochenornamente – menschliche wie tierische – am Saum eines Umhangs oder einer Kopfbedeckung befestigt waren oder als Ketten getragen wurden. Vielleicht hatte man die Stücke auch auf Taschen, Körbe oder Decken genäht. Wie Abnutzungsspuren an den Schmuckteilen zeigen, waren die Anhänger auf Leder oder Pflanzentextilien aufgebracht gewesen und getragen worden. Sie dienten demnach nicht als reine Grabbeigabe.

Von welchen Menschen das Knochenmaterial stammte, darüber können die Archäologen nur spekulieren. Waren es Verwandte jener Menschen, die die Anhänger auf ihrer Kleidung trugen, oder waren es Mitglieder feindlicher Gruppen – die Schmuckteile wären dann eine Art Trophäe gewesen? Die Frage lässt sich nicht beantworten. Ebenso wenig lässt sich klären, ob Kannibalismus eine Rolle spielte. Mögliche Indizien für derartige Vorgänge, beispielsweise Schnittspuren, fehlen jedenfalls an den Knochenanhängern.

Die Verwendung von menschlichen Knochen und Zähnen als Schmuckmaterial reicht in Europa bis in die Altsteinzeit zurück. Der älteste Nachweis stammt aus Frankreich und ist rund 37 000 Jahre alt. Es handelt sich um Zähne, die anatomisch moderne Menschen wohl als Ornament nutzten. Ebenso gibt es jüngere, mesolithische Funde aus Dänemark und Norddeutschland, die 9000 beziehungsweise 11 000 Jahre zurückreichen.

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